Mehrere anonyme Tech-Unternehmer aus den USA haben mit Enigma Labs ein Start-up gegründet, das über eine Smartphone-App UFO-Sichtungen sammelt und mit Künstlicher Intelligenz analysiert. Finanziert wird die Firma von geheim gehaltenen Geldgebern. Nur das Ziel der Firma scheint klar zu sein: Enigma Labs will der Wissenschaft die nötigen Daten liefern, um das Phänomen UFOs zu entschlüsseln.
Von Michael Förtsch
Immer wieder sehen Menschen merkwürdige Lichter, Objekte oder andere Erscheinungen am Himmel, die sie nicht erklären können. Auch Piloten und Soldaten sehen UFOs – häufiger als bislang gedacht. Sogar mit Sensoren registriert und mit Kameras festgehalten wurden sie schon. Doch viele der Sichtungen der von den US-Behörden mittlerweile UAP – für unidentified anomalous phenomena, unidentifiziertes anomales Phänomen – getauften Erscheinungen lassen sich im Nachhinein rational erklären. Es handelte sich dabei um Ballons, Flugzeuge, Luftspiegelungen, Drohnen und manchmal sogar um Müll wie Plastikplanen, die hoch in die Luft gezogen wurden. In manchen Fällen scheint es allerdings etwas anderes zu sein. Etwas, das sich nicht so einfach bestimmen lässt. Außerirdische in Raumschiffen? Eher nicht. Aber vielleicht Naturphänomene oder Militärtechnologien, die bisher unentdeckt blieben. Deshalb stoßen die UFO-Sichtungen nicht nur bei der US-Armee und der NASA auf Interesse, sondern auch in der Tech-Szene des Silicon Valleys.
Erst in diesem Jahr startete ein ominöses Start-up namens Enigma Labs eine Smartphone-App, die es mit nur wenigen Klicks möglich macht, eine UFO-Sichtung zu melden oder gleich mit dem Smartphone aufzuzeichnen und in die Datenbank des Unternehmens zu übertragen. Denn: „Die Datenbanken und Verzeichnisse, die es bislang gibt, sind nicht gerade robust“, sagt Alejandro Rojas, Journalist und Forschungsleiter bei Enigma Labs, gegenüber 1E9. Sie seien fragmentiert, nicht standardisiert und nur in Teilen digitalisiert. Aber vor allem: Die „bestehenden Datenbanken und Meldemöglichkeiten genießen nicht gerade viel Aufmerksamkeit“ und kaum jemand in der Bevölkerung wisse, wo und wie er eine Meldung hinterlassen kann, wenn etwas am Himmel gesehen wird.
Genau das wolle Enigma Labs jetzt mit seiner App und einer zugehörigen Web-Plattform ändern. Es müsse schnell und einfach werden, ein UFO zu melden – und genauso einfach, solche Meldedaten in einer mensch- und maschinenlesbaren Form abzurufen. Und tatsächlich geht das Melden mit der Enigma-App erstaunlich schnell und simpel. Über einen Kamera-Button in der App kann eine Sichtung direkt aufgezeichnet werden, wobei Standort, Himmelsrichtung, Winkel der Kamera und andere Spezifikationen mit verzeichnet werden. Außerdem können nicht direkt mitgeschnittene Sichtungen eingereicht werden. Dann fragt Enigma zunächst ab, ob sich die Sichtung mit chinesischen Laternen, Starlink-Satelliten oder einer Rakete erklären lassen könnte. Erst danach können Fotos angehängt, die Sichtung verortet und beschrieben werden.
Nutzer der App können darüber hinaus durch die gemeldeten Sichtungen scrollen, die derzeit vor allem aus Nordamerika stammen. Aber auch in Europa, Australien und anderen Orten werden bereits UFOs via Enigma Labs gemeldet. „Wir haben schon Tausende von Nutzern und Dutzende kommen jeden Tag dazu“, sagt Alejandro Rojas. Manche User würden die App nur aus dem Grund laden, um ihre Sichtung zu melden. Andere würden sie hingegen nur nutzen, um UFO-Videos zu betrachten – aus ihrer Gegend, oder aus anderen Ecken der Welt. Kommt es zu einer Sichtung in der eigenen Stadt, kann die App darüber informieren.
Mysteriöse Gründer
Die Idee zu Enigma Labs soll den Gründern gekommen sein, als die New York Times die UFO-Begegnungen von Piloten der USS Nimitz öffentlich machte. Zwei Jahre später hätten die Enigma-Labs-Gründer dann selbst mit Piloten gesprochen, die bizarre Begegnungen am Himmel hatten. Daraufhin starteten sie die Firma. Wer die Enigma-Gründer sind, ist allerdings nicht bekannt. Alejandro Rojas ist einer der wenigen Mitarbeiter, der mit seinem echten Namen auftritt. Viele andere nutzen Pseudonyme. Denn ein Teil der Belegschaft sei mit renommierten Tech-Unternehmen verknüpft. Einige Entwickler würden zudem hauptberuflich weiterhin für namhafte Social-Network- und App-Anbieter arbeiten. Da will offenbar keiner als UFO-Spinner gelten. Denn auch wenn UFOs im Mainstream angekommen seien, sei die Beschäftigung damit weiterhin stigmatisierend.
Auch die Geldgeber des angeblich gut finanzierten UFO-Start-ups sind derzeit geheim. Sowohl OpenAI-Chef Sam Altman, die Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz, der Podcaster Joe Rogan, der Internetmillionär Juri Milner, Palantir-Gründer Peter Thiel und sogar die CIA und das US-Militär-Forschungslabor DARPA werden als mögliche Finanziers gehandelt. Dementieren oder bestätigen will das derzeit niemand. Von Enigma Labs selbst heißt es lediglich, dass man es sich als Privatunternehmen vorbehalte, die Geldgeber „derzeit nicht preiszugeben“. Jedoch plane man in naher Zukunft darüber zu sprechen.
Ziemlich sicher ist: Die junge Firma verfügt nicht nur über finanzielle Ressourcen, sondern auch über moderne Technologien. Über die Plattform werden nämlich nicht nur Sichtungsberichte eingeholt. Sie werden anschließend auch durch eigene KI-Systeme verarbeitet. Diese sollen aus allen eingehenden Sichtungen automatisch Fakes und einfach erklärbare Erscheinungen herausfiltern, beispielsweise durch einen optischen Abgleich mit bekanntem Licht- und Himmelsphänomen. Auch Verbindungen zu Wetter- und Flugradardaten sollen hergestellt werden. Außerdem soll die KI analysieren, ob etwa die Bewegungen der Kamera mit den mitgeschnittenen Daten der Beschleunigungs- und Neigungssensoren des Smartphones übereinstimmen. Und selbst Marker für eine Manipulation durch Video- und Bildbearbeitungssoftware soll Enigma Labs‘ Künstliche Intelligenz erkennen.
„Es gibt Tausende von Sichtungen jeden Monat, aber nur ein Bruchteil davon ist wirklich interessant“, sagt Alejandro Rojas. „Wir nutzen Künstliche Intelligenz, um die wirklich mysteriösen Fälle zu finden, ihre Charakteristiken zu ermitteln und brauchbare Daten an Forscher geben zu können.“ Dass KI-Systeme dabei Fehler machen können, sei den Entwicklern des UFO-Start-ups bewusst. Daher werden interessante Fälle und deren Daten auch noch durch echte Menschen geprüft, um vor allem mutwillige Fälschungen auszuschließen. „Natürlich ist es immer möglich, dass eine Falschmeldung durchkommt, aber wir haben ein strenges Verfahren, um das zu verhindern.“
Darüber hinaus habe Enigma Labs seit der Gründung über 270.000 historische UFO-Sichtungen aus über 100 Jahren und Dutzenden von Ländern digitalisiert und in das eigene Katalogformat konvertiert. Darunter alle Sichtungen, die einst im Rahmen des Forschungsprojektes Project Blue Book gesammelt wurden. Denn auch diese sollen für Forscher einfacher nutz-, analysier- und verwertbar gemacht werden. Sowohl den historischen als auch den von Nutzern neu gemeldeten Sichtungen soll zudem ein Wert zugewiesen werden, der die Glaubwürdigkeit ausweist.
Geld ist erstmal nicht das Problem
Seit dem Beta-Start der App im Januar dieses Jahres habe Enigma Labs bereits mehrere Berichte erhalten, die sich nicht so einfach klassifizieren lassen. Eine Gruppe von jungen Frauen hat beispielsweise ein Video von einem Lichtball eingesendet, der sehr niedrig hinter einer Siedlung entlang zieht. Vor dem Start der Videoaufnahme soll er mehrmals die Richtung geändert und zeitweilig gestoppt haben. „Es könnte sich um eine Drohne handeln“, sagt Alejandro Rojas. Doch dafür sei das Licht eigentlich zu hell, meint er. Daher wären genauere Analysen erforderlich. Einfach wild zu spekulieren, bringe wenig.
Ohnehin, sagt Rojas, habe Enigma Labs keine „eigene Theorie“, was UFOs nun eigentlich sind. Er selbst glaube, dass es sich bei so manchen Sichtungen um geheime Militärprojekte handle. „Aber wir [bei Engima Labs] sind offen für alle Überlegungen“, sagt er. „Wir glauben, dass sich die UFO-Debatte auf Wissenschaft und Nachforschung fokussieren sollte. Das „U“ in UFO und UAP steht für unidentifiziert. Wir brauchen mehr Daten, um zu identifizieren, was sie sind – und genau das wollen wir liefern.“ Das sei es auch, was Forscher bei der NASA, Universitäten wie Harvard und auch Wissenschaftler des Militärs gefordert hätten: Material, das es ermöglicht, eingehende Untersuchungen anzustellen.
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Wie das Start-up irgendwann mit seinen UFO-Daten Geld verdienen könnte, sei für das Team derzeit noch nicht so wichtig. Momentan gehe es vor allem darum, eine gut funktionierende und umfangreiche Plattform und Infrastruktur aufzubauen. Dennoch soll das Unternehmen bereits eine bezahlte Schnittstelle für Forschungsinitiativen planen. Auch soll es in Verhandlungen mit einer Arbeitsgruppe des US-Militärs stehen, um Daten und Analysen zu liefern. Aber derartiges „werden wir derzeit nicht öffentlich diskutieren“, heißt es auf unsere Nachfrage. Hier werde es in einer nicht näher spezifizierten Zukunft wohl eine Ankündigung geben. Oder auch nicht.
Titelbild: Danie Franco auf Unsplash
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